Mittwoch 02. 11. 2011 - Auf See


 

 

Es hat die ganze Nacht Seegang, habe aber gut geschlafen. Da ich früh ins Bett bin wache ich schon kurz nach 0500 auf. Versuche noch zu schlafen, gelingt nicht, lese etwas und stehe dann auf, mache mich fertig und will an Bord, aber schon im Niedergang merke ich dass das Geländer nass ist – Nase raus, tatsächlich, es regnet, also Rückzug, habe ja noch kein wetterfestes Zeug an. Lese noch etwas bis es Frühstück gibt, heute Kasha (Griesbrei) und Joghurt, für mich also Marmeladebrot.

 

Der Seegang wird immer heftiger, Wetter ist schlecht, also ziehe ich Regenhose und Öljacke an und zum ersten mal kommen die neuen Gummistiefel zum Zug. Es regnet jetzt allerdings nicht, schätzungsweise WS 10, wir machen noch 1kt, aber an der Brücke zeigen zwei rote Lampen an dass wir manövrierunfähig sind – der Wind kommt genau von vorne, Segelsetzen bringt nichts und der Motor kommt nicht mehr gegen den Wind an. Wir Trainees stehen mit Ölzeug und Gummistiefel im Sturm an Deck und unterhalten uns ganz gemütlich – unser 1. auf der Brücke schaut uns tiefsinnig an und schüttelt den Kopf.

 

Die roten Lämpchen zeigen an dass wir manövrierunfähig sind

 

 

Wir schauen etwas den hohen Wellen zu, unsere alte Lady liegt aber ruhig im Wasser, allerdings mit ziemlicher Krängung nach Steuerbord. Bald gibt es Segelalarm, heute will ich aber nicht mitmachen, man ist froh sich auf den Füssen zu halten. Zwei Kadetten sind schon gestürzt. Es wird gebrasst und dann Strecktaue zum Festhalten gezogen. Da es nun auch noch heftig zu regnen beginnt verziehen wir uns unter Deck, melden aber noch dass in Kabine 1 und meiner die Bullaugen wieder geschlossen werden (dazu braucht es ein Spezialwerkzeug), die Kameradin öffnen lies. Wir wollen ja nicht dass mal ein Glas bricht, wir sind nur wenig über der Wasserlinie.

 

 

Nach einiger Zeit ist der Regen vorbei und ich gehe – immer noch mit Gummistiefel und Öljacke – auf die Back. Das Wetter wird freundlicher, auch wenn die Wellen immer noch sehr hoch sind. Segelalarm! Es wird gebrasst und Stagsegel gesetzt. Dauert etwas, aber mittlerweile kommt sogar die Sonne, wenn auch nur zaghaft. Kurz nach dem Manöver gibt es Essen – Suppe mit Kartoffel und Zwiebel, Buchweizen und Geschnetzeltes, Salat (grüner Salat, Gurken, Paprika), wie immer ist sowohl in der Suppe wie am Salat viel Dill. Zum Trinken gibt es Orangensaft.

 

Ich genehmige mir ein Mittagsschläfchen und gehe dann an Deck, wir haben immer noch Seegang, das Wetter ist aber recht schön. Allerdings sieht man am Horizont schon wieder Regenwände. In der Ferne fährt ein Schiff von Airbus vorbei.

 

 

1515 gehe ich in meine Kammer um mich für Teatime fertig machen, komme eben von der Toilette hoch als es in der Mensa scheppert. Rase rein und erwische gerade noch zwei Teepötte die vom Tisch rutschen. Einige sind schon unten und an unserem Tisch steht ein verzweifelte Luba. Heute gibt es süsse Mohnbrötchen, die rutschten von den Tellern (gut dass nur wir Trainees Teller bekamen) und alles was sonst noch auf dem Tisch stand – Ketch-up, Marmelade, Meerrettich usw. - rollt durch die Gegend. Helfe ihr dann beim Aufräumen, war mir für den Rest der Reise ihr Herz schenkt. Die Kadetten die heute in der Mensa eingeteilt sind putzen derweil den Boden.

 

Wir gehen wieder an Deck und später in den Lenin zum Kaffee. 1930 Abendessen, Suppe, Buchweizen mit Geschnetzeltem gemischt, wohl die Resten vom Mittag etwas anders zubereitet, schmeckt aber recht gut – bisher das Beste von Buchweizen. Wie üblich nach dem Essen an Deck, sicherheitshalber ziehe ich mein Regenzeug an. WS 9-10. Wir sehen Wetterleuchten zu, allerdings kommt in Sekundenschnelle ein heftiger Schauer. Geht so schnell dass wir drei Freunde uns weiter hinten unterstellen da unser Niedergang durch die anderen besetzt ist. Wir wollen nach Backbord, allerdings verliere ich den Halt bei dem Wind und sause quer übers Deck Richtung Reeling, wobei mich noch das ca. 10cm über den Planken gespannte Tau der Rah des Grossmastes komplett aushebelt, erst die Nagelbank stoppt meinen unfreiwilligen Flug. Weh getan habe ich mir Gott sei Dank nicht, nur später blaue Flecken an den seltsamsten Orten des Bodys. Nun reicht es uns und wir gehen in den Lenin, wo wir noch bis 0100 sitzen. Dank den Strecktauen finden wir auch sicher den Weg zurück zu den Kammern.